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Rundbrief des Bundesvorsitzenden, Ulrich Weigeldt, am 20.12.2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Dezember ist traditionell die Zeit der Jahresrückblicke. Im letzten Jahr war gerade die Bildung einer Jamaika-Koalition gescheitert und wir fragten uns, wie die weiteren Verhandlungen ausgehen. Die Große Koalition brachte uns im Frühjahr mit Jens Spahn einen neuen Gesundheitsminister, mit dem sich viele Themen geändert haben – andere sind (leider) so aktuell wie im vergangenen Jahr.

Studium/Weiterbildung
Stillstand herrscht scheinbar beim Masterplan Medizinstudium 2020. Noch unter Ex-Gesundheitsminister Hermann Gröhe beschlossen, hat eine eigens eingesetzte Kommission, nach anderthalb Jahren, nun die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlicht – und erst einmal für einen Beirat plädiert. Damit herrscht also noch immer Stillstand bei dieser so wichtigen Reform. Hier wird unser Verband im nächsten Jahr auf jeden Fall dranbleiben!

Zum Thema „Nachwuchs“ gibt es aber auch Erfreulicheres zu berichten. Die Bundesärztekammer hat in diesem Jahr die (Muster-)Weiterbildungsordnung beschlossen. Wichtigste Neuerung: Angehende Allgemeinärzte müssen künftig 24 Monate in einer allgemeinmedizinischen Praxis weitergebildet werden.
Zudem zielt die neue MWBO viel stärker auf den Erwerb echter Kompetenzen ab als auf das schlichte
Absitzen von Zeiten. Das war ein großer Erfolg, der künftig viel zur Stärke unseres Faches beitragen wird.

Insgesamt bemerken wir beim Thema Nachwuchs eine erste Trendwende: So steigt die Zahl der Ärzte in Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin derzeit jährlich um über zehn Prozent – das zeigt, dass sich die Maßnahmen zur Förderung der Allgemeinmedizin und unser unermüdlicher Einsatz lohnen!

TSVG
Hoffen wir, dass sich auch beim Terminservice- und Versorgungsgesetz noch einiges verändern lässt.
Ursprünglich dazu gedacht, die Wartezeiten in Facharztpraxen zu reduzieren, lässt der Gesetzentwurf den Begriff „Staatsmedizin“ wieder aktuell werden. Die teilweise massiven Eingriffe in den ärztlichen Alltag stellen einen Angriff auf den freien Arztberuf dar.

Insbesondere beschäftigt uns die Erhöhung der vorgeschriebenen Mindestsprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden pro Woche. Denn schon heute bieten die meisten Hausärztinnen und Hausärzte deutlich mehr Sprechstunden und zeitliche Puffer zur Behandlung der Akutpatienten an. Ein Zwang zum Angebot weiterer Sprechstunden löst die Probleme nicht.

Und dass die Fachärzte für die Einrichtung dieser zusätzlichen offenen Sprechstunden auch noch extra-budgetär und mit zusätzlichen Honoraren vergütet werden, die Hausärzte aber leer ausgehen sollen, ist schlicht und einfach ungerecht und geht an der hausärztlichen Versorgungsrealität vorbei. Hier kommt noch viel Arbeit auf uns zu, bevor der Entwurf zum Gesetz wird!
 
Einflussnahme der Krankenkassen
Eigentlich ist es doch ganz simpel: Der Patient geht zum Arzt, weil er krank ist. Der Arzt behandelt, weil er dafür aus- und weitergebildet wurde. Die Krankenkasse bezahlt, weil sie die Beiträge ihrer Versicherten verwaltet. Wir müssen aber immer häufiger beobachten, wie die Kassen versuchen, diese klare Aufgabenverteilung nach und nach zu verrücken und mehr Einfluss auf die Behandlung auszuüben.

Das beginnt bereits mit der Androhung von Regressen und Plausibilitätsprüfungen. Ich frage mich, wie leicht einem Kassenmitarbeiter sein Job fiele, wenn ständig ein Damoklesschwert über ihm schwebt, das suggeriert: Wenn du noch ein bisschen mehr arbeitest, dann kommt dich das teuer zu stehen! An uns
Ärzten geht das jedenfalls nicht spurlos vorbei! Selbst, wenn es nicht zu solchen Forderungen kommt, bleibt doch eine Atmosphäre der Unsicherheit und viel zusätzlicher Aufwand, um unsere Arbeit mit den Patienten begründen zu müssen.

Es darf nicht sein, dass Fragen wie „Darf ich das überhaupt verschreiben?“ oder „Was ist, wenn der Hausbesuch weniger als 20 Minuten dauert?“, die Versorgung unserer Patienten beeinflussen! Dieses System der Gängelungen und Drohungen, das Angst macht und uns im Berufsalltag einschränkt, muss so schnell wie möglich der Vergangenheit angehören!

Die Versuche der Krankenkassen, ihre Versicherten immer mehr zu steuern oder ärztliches Handeln zu beeinflussen, können wir nicht hinnehmen. Das gehört nicht zu den Aufgaben der Kassen – und sie können es auch nicht! Schon gar nicht durch den Einsatz einfacher Apps, die grundlegende Anforderungen an Datenschutz oder Datensicherheit nicht ausreichend erfüllen oder die Ärzte gleich ganz ersetzen wollen. Statt einer kompetenten ärztlichen Behandlung sollen Patienten kostengünstig mit einer App abgespeist werden. Das ist schlicht verantwortungslos. Was passiert denn, wenn Patienten wegen einer Fehldiagnose der App nicht zum Arzt gehen, oder angebliche Risiken angezeigt werden, die zu unnötigen Praxisbesuchen führen?

Verstehen Sie mich nicht falsch, grundsätzlich ist Digitalisierung sinnvoll. So können elektronische Patientenakten (ePA) die Patientenversorgung durchaus verbessern. Beispielsweise, wenn im Notfall die Patientendaten schnell verfügbar sein müssen. Allerdings muss es auch in der digitalen Infrastruktur eine Primärarztsystematik geben, wie sie die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) in der analogen Welt dar-stellt. Deswegen setzen wir uns für eine arztgesteuerte ePA ein, die gemeinsam mit dem Patienten geführt wird. Die jetzigen Bestrebungen einiger Kassen scheinen sich aber nicht mehr um den Nutzen für den Patienten zu drehen. Vielmehr geht es unter dem Vorwand, die Digitalisierung des Gesundheits-wesens vorantreiben zu wollen, nur noch um den Nutzen für die Kassen selbst. Hier muss ich wiederholen: Die Kassen sind weder Ärzte noch Patientenvertreter!

Hausarztzentrierte Versorgung
Kassen können aber auch unsere Partner sein! Viele unterstützen uns beispielsweise bei der Umsetzung der HZV. Im kommenden Frühjahr wird sich der 5.000.000ste Patient für diese moderne Versorgungsform entscheiden! Gerade diese Verträge zeigen, wie eine Versorgung ohne Budgetierung, ohne Regresse und ohne Druck durch die Krankenkasse aussehen kann. Fazit ist: Es funktioniert! Aktuelle Evaluationen zum zehnjährigen Bestehen der HZV in Baden-Württemberg zeigen, dass Patienten, Ärzte und Versicherer von den positiven Effekten der Verträge profitieren. So geht eine gute Versorgung, in der jeder seinen Beitrag leistet! Nicht zuletzt deswegen werden wir weiterhin an der Verbreitung der HZV arbeiten und uns dafür einsetzen, möglichst in allen Bundesländern HZV-Vollversorgungsverträge abschließen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Mit kollegialen Grüßen

Ulrich Weigeldt

Bundesvorsitzender