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Rundbrief der Bundesvorsitzenden am 04.06.2024

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

seit Monaten kämpfen wir als Verband für eine Reform der hausärztlichen Versorgung, die der aktuellen Krise etwas entgegensetzt. Nach unzähligen Gesprächen und Hintergrundrunden, intensiver Pressearbeit und den Protestveranstaltungen, sind wir nun einen Schritt weiter: Das Gesundheitsversorgungs­stärkungsgesetz (GVSG) wurde vom Bundeskabinett abgesegnet und geht jetzt endlich ins parlamen­tarische Verfahren. Damit hat es eine ganz wichtige Hürde genommen, auch wenn der Weg bis zum fertigen Gesetz noch weit ist. Dennoch kann man als Zwischenfazit festhalten: Nach Jahren des Stillstandes greift der aktuelle Kabinettsentwurf viele unserer Forderungen zur Stärkung der Hausarzt­praxen auf. Das Gesetz wäre ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung! Klar ist aber auch, dass es nicht mehr der angekündigte große Wurf ist, mit dem die hausärztliche Versorgung auf Jahre sicher­gestellt wird.

Gesundheitsversorgungsgesetz – ein harter Kampf mit Licht und Schatten
Teil des Gesetzes ist die viel diskutierte Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung. Alle Leis­tungen sollen zukünftig endlich komplett bezahlt werden. Das war und ist eine unserer wichtigsten Forderungen. Weitere Punkte des Gesetzes sind:

  • Die Einführung einer Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei ärztlich verordneten Leistungen in Höhe von 300 Euro. Damit würden knapp 70 Prozent aller Regressverfahren wegfallen.

  • Die bisherigen Quartalspauschalen sollen neu strukturiert werden, unter anderem durch die Ein­führung einer (Halb)-Jahrespauschale. Wichtig dabei: Die Jahrespauschale soll nur für nicht betreuungsintensive Chronikerinnen und Chroniker greifen. Für Patientinnen und Patienten, die jedes Quartal in die Praxis kommen müssen, werden auch in Zukunft die Quartalspauschalen gelten. Darauf haben wir in den Gesprächen mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach gedrängt.

  • Neu eingeführt werden soll eine so genannte Vorhaltepauschale für Praxen, die den hausärzt­lichen Versorgungsauftrag wahrnehmen. Diese soll gestaffelt werden, je nachdem wie viele Kriterien erfüllt werden. Mögliche Kriterien sollen beispielsweise die Versorgung von geriat­rischen Patienten, palliativmedizinische Versorgung, das Fahren von Hausbesuchen oder das Angebot von Sprechstunden nach 19:00 Uhr sein.
     

Insbesondere die Entbudgetierung und die Einführung von Bagatellgrenzen bei Wirtschaftlichkeits­prüfungen sind absolut positiv und langjährige Forderungen unseres Verbandes. Das ist unser Erfolg! Bei der Neustrukturierung der Pauschalen und der Einführung einer Vorhaltepauschale wird es sehr darauf ankommen, worauf sich die KBV und der GKV-Spitzenverband in den Detail-Verhandlungen am Ende einigen. Da die Regelungen finanzneutral sein sollen, besteht zumindest nicht die Gefahr, dass der hausärztlichen Versorgung Geld entzogen wird. Allerdings wird für diesen Bereich auch kein neues Geld hinzukommen, obwohl das eigentlich bitter nötig wäre. Für die Entbudgetierung wird hingegen natürlich zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt werden.

Ein großer Wehrmutstropfen hat der Entwurf allerdings: Der HZV-Bonus wurde kurzfristig gestrichen. Der HZV-Bonus wäre die Chance gewesen, die dringend notwendige Patientensteuerung im Gesund­heitswesen schnell und zielgenau zu fördern. Dass ausgerechnet dieses Projekt nun aus dem Entwurf geflogen ist, zeigt, dass die Ampel-Koalition offensichtlich weder den Willen noch die Kraft hat, die tiefsitzenden, strukturellen Probleme in unserem Gesundheitswesen anzupacken. Wir werden jedoch nicht aufgeben und weiter dafür kämpfen, dass der HZV-Bonus im parlamentarischen Verfahren wieder in das Gesetz aufgenommen wird. So oder so: Die HZV wächst stetig! Neun Millionen Versicherte neh­men inzwischen bundesweit teil, mit steigender Tendenz. Ein Bonus würde dieser Entwicklung einen weiteren Schub geben. Der Erfolg der HZV wird sich aber unabhängig davon fortsetzen.

Krankenkassen und FDP blockieren
Die gesamten, monatelangen Verhandlungen waren geprägt von viel Widerstand. Auf der einen Seite haben die Krankenkassen erwartungsgemäß gegen jede Stärkung der hausärztlichen Versorgung lob­byiert und schreckten dabei auch vor irreführenden Aussagen nicht zurück. Gerne wird beispielsweise so getan, als ob die Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte für zukünftige Beitragssteige­rungen verantwortlich sei. Das ist nicht der Fall! Die Kosten dafür belaufen sich auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Im Gegensatz zu den Milliarden, die in die stationäre Versorgung gesteckt werden, sind das sehr überschaubare Summen und am Ende des Tages nicht ausschlaggebend für die Entwicklung der Kassenfinanzen. Vollkommen ignoriert werden bei dieser Kassen-Rechnung auch die enormen Folgekosten, die entstehen, wenn die hausärztliche Versorgung weiter wegbricht. Es ist er­schreckend, wie kurz viele Kassen-Funktionäre hier denken.

Doch auch innerhalb der Ampel-Koalition gab es viel Gegenwind für uns Hausärztinnen und Hausärzte: Insbesondere die FDP hat bis zuletzt immer wieder versucht, Sand ins Getriebe zu streuen und die Stärkung der hausärztlichen Versorgung auszubremsen. Auch die Streichung des HZV-Bonus wurde vor allem von der FDP vorangetrieben.

Unser Verband wächst! Über 32.000 Hausärztinnen und Hausärzte sind bereits Mitglied
Die letzten Monate haben noch einmal gezeigt: Wir Hausärztinnen und Hausärzte müssen unsere Interessen in den Parlamenten auf Bundes- und Landesebene selbst vertreten, ansonsten tut es niemand – auch nicht die KVen und die KBV. Wir wollen uns gar nicht ausmalen, wie das Gesetz aussehen würde, wenn es unseren Verband nicht gäbe.

Wir sind jedoch nur so stark wie unsere Mitglieder! Daher bitten wir Sie: Sollten Ihre Kolleginnen und Kollegen noch nicht Mitglied in ihrem Hausärztinnen- und Hausärzteverband sein, dann sprechen Sie sie an und werben Sie dafür, dass möglichst alle Mitglied werden! Dass wir ein starker Verband sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Während fast alle Verbände und Vereine Mitglieder verlieren, legen wir weiter zu. Inzwischen sind über 32.000 Hausärztinnen und Hausärzte Mitglied in ihren regionalen Ver­bänden. Diesen Trend müssen wir weiter ausbauen.

Online-Informationsveranstaltung zum Studium „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxis­management“
Wie Sie wissen, hat unser Verband 2022 gemeinsam mit der FOM-Hochschule das berufsbegleitende Bachelor-Studium „Primärmedizinisches Versorgungs- und Praxismanagement“ ins Leben gerufen. Es richtet sich an VERAH® und NäPA aus unseren Praxen. Nach erfolgreichem Abschluss als Primary Care Managerin (PCM) können sie zusätzliche Aufgaben im Praxisalltag übernehmen – sowohl in der medizinischen Versorgung als auch im Praxismanagement. Das Wichtigste rund um den Studiengang können Interessierte bei einer Online-Infoveranstaltung am 11. Juni, um 18 Uhr, erfahren. Die Teil­nahme ist kostenfrei. Alle weiteren Infos finden Sie unter www.haev.de/studium-fuer-verah.

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Markus Beier            Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth
Bundesvorsitzender        Bundesvorsitzende