Berlin, 20.09.2023 – In seiner heutigen Pressekonferenz anlässlich des Hausärztinnen- und Hausärztetages schlägt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband Alarm und warnt vor Lücken in der Versorgung, die künftig nicht mehr geschlossen werden könnten. Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, sowie Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende, mahnen mit Blick auf die aktuelle Situation: „Mit Herbstbeginn füllen sich unsere Wartezimmer wieder mit Impfwilligen und Infektfällen. Früher ein Heimspiel, heute sind dagegen immer mehr Praxen gezwungen, neue Patientinnen und Patienten, die kein Notfall sind, abzuweisen. Angesichts von bald 5.000 unbesetzten Hausarztstellen und einem Anteil der über 60-jährigen Hausärztinnen und Hausärzte von über 35 Prozent, müsste die Politik längst panisch eine Maßnahme nach der anderen anstoßen. Stattdessen warten unsere Praxen sogar auf die Umsetzung von Reformen, die schon vor Jahren beschlossen wurden. Was muss noch passieren, damit sich etwas ändert? Der Notstand ist längst da, wo aber ist die Politik?“
Zum 44. Hausärztinnen- und Hausärztetag, der diesen Donnerstag und Freitag stattfinden wird, reisen rund 120 hausärztliche Delegierte aus ganz Deutschland nach Berlin. Schwerpunkte der Veranstaltung werden die Wahlen des neuen Bundesvorstandes sein, die turnusmäßig anstehen, sowie die Abstimmung zentraler Forderungen des Verbandes zur Stärkung und Entlastung der Hausarztpraxen – auch angesichts der anstehenden Impf- und Infektsaison. Mit Blick auf die zunehmend angespannte Lage vieler Praxen erklärt Prof. Dr. Buhlinger-Göpfarth: „Der letzte Winter war bereits ein Vorgeschmack: Die Versorgung ist am Kippen und wird nur noch durch unsere Bereitschaft, immer wieder Sonderschichten zu schieben, aufgefangen. Viele Praxen sind aber nicht mehr dazu in der Lage, die Versäumnisse der Politik durch lange, erschöpfende Arbeitstage, Rente ab 70 und immer weniger Zeit für immer mehr Patientenkontakte auszugleichen und werden mitsamt ihren erschöpften Praxisteams irgendwann dem Versorgungsdruck nicht mehr standhalten können. Dies wird die Situation nur weiter verschärfen. Es droht eine Kettenreaktion, deren Folgen auf die Patientenversorgung die Politik um keinen Preis riskieren sollte.“
„Unsere Delegierten werden auch in diesem Jahr sehr klare Handlungsempfehlungen, die auf die Realität in unseren Praxen antworten, beschließen. Die Politik täte gut daran, endlich die Augen zu öffnen und die notwendigen Maßnahmen umzusetzen – beginnend bei denen, die sie sich selbst bereits auf die Fahnen geschrieben hat. So ist es vollkommen unverständlich, warum unsere Kolleginnen und Kollegen in Regionen wie beispielsweise Hamburg oder Berlin gerade in diesen herausfordernden Zeiten noch immer unbezahlte Sonderschichten schieben müssen, weil die versprochene Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen weiterhin auf sich warten lässt“, so Dr. Beier. „Ebenso sieht es bei der dringend notwendigen Stärkung der Allgemeinmedizin an den Universitäten aus. Vor bald sieben Jahren wurde die Reform des Medizinstudiums, die dafür sorgen sollte, dass mehr Studierende unseren Beruf kennenlernen, beschlossen. Wäre sie direkt umgesetzt worden, würden im kommenden Jahr die ersten Alumni, die von den Änderungen profitiert hätten, ihre Weiterbildungen in unseren Praxen beginnen. Stattdessen warten wir noch immer, während in vielen Regionen die Praxen händeringend nach Nachfolgern suchen. Gute Ansätze reichen eben nicht; wenn es an der Umsetzung hapert, werden wir am Ende keinen Deut besser dastehen. Die Politik hat jetzt die Chance, das Ruder herumzureißen – es ist aber nicht mehr viel Zeit.“
Der Hausärztinnen- und Hausärztetag wird im Hotel Pullman Schweizerhof Berlin stattfinden. Die Veranstaltung wird live auf der Homepage des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes übertragen. Alle wichtigen Pressemeldungen, darunter der Bericht zur Lage, Fotos der Veranstaltungen sowie die Beschlussübersicht finden Sie auf www.hausaerzteverband.de/pressehaet2023.