Berlin, 19. September 2024 – Der Großteil der Bundesbürger befürchtet eine Verschlechterung der hausärztlichen Versorgung in den kommenden fünf Jahren und macht sich Sorgen, dass die hausärztliche Versorgung für sie und ihre Angehörigen in Zukunft nicht mehr wie heute gewährleistet werden kann. Gleichzeitig halten sie die von der Bundesregierung bisher ergriffenen Maßnahmen für nicht ausreichend. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Civey-Umfrage unter 5.000 Bundesbürgern ab 18 Jahren im Auftrag des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes anlässlich des 45. Hausärztinnen- und Hausärztetages, der heute in Berlin startet. Der Befragungszeitraum war zwischen dem 05. und dem 07. September 2024.
Die zentralen Ergebnisse der Umfrage sind:
Eine übergroße Mehrheit von 76 Prozent geht davon aus, dass es in den kommenden fünf Jahren schwieriger wird, eine Hausarztpraxis zu finden.
58 Prozent der Befragten haben Sorge, dass die hausärztliche Versorgung für sie oder ihre Angehörigen in den kommenden Jahren nicht mehr wie heute sichergestellt werden kann.
72 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Bundesregierung keine ausreichenden Maßnahmen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung ergreift.
37 Prozent geben an, dass das Thema „Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung“ Einfluss auf ihre Entscheidung bei zukünftigen Wahlen haben wird.
Mit Blick auf die heutige Situation erklären 56 Prozent der Befragten, dass sie oder ihre Angehörigen nur selten oder nie Probleme bei der Terminfindung bei Hausärztinnen und Hausärzten hatten. Knapp ein Viertel berichtet davon, hiermit häufig konfrontiert worden zu sein.
Alle Ergebnisse der Umfrage können unter www.haev.de/pressehaet2024 abgerufen werden.
„Nicht nur wir Hausärztinnen und Hausärzte, sondern auch unsere Patientinnen und Patienten machen sich Sorgen um die Zukunft der hausärztlichen Versorgung. Sie blicken äußerst pessimistisch in die Zukunft und haben gleichzeitig das Gefühl, dass die Bundesregierung nicht mit der nötigen Konsequenz gegensteuert. Diese Rückmeldung bekommen wir auch regelmäßig in unseren Praxen. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen klar: Die Zeiten, in denen die Sicherstellung der ambulanten Versorgung, und insbesondere der hausärztlichen Versorgung, ein Randthema war, sind definitiv vorbei. Die Menschen erwarten von der Politik, dass sie die Probleme endlich anpackt. Anscheinend nehmen die Bürgerinnen und Bürger die Krise der hausärztlichen Versorgung ernster als die Politik“, so Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen und Hausärzteverbandes.
Vor dem Hintergrund der Ergebnisse forderte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband die Ampel-Koalition auf, die versprochenen Entlastungen für die Hausarztpraxen noch in diesem Jahr zu beschließen. „Die aktuelle Ampel-Regierung hat zwar viel angekündigt, passiert ist jedoch quasi nichts! Wir warten immer noch auf das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) und die zigmal versprochene Entbudgetierung. Man braucht nur einen Bruchteil des Geldes, das in den vergangenen Monaten beispielsweise in die Krankenhäuser gepumpt wurde, um den Hausarztpraxen etwas Luft zum Atmen zu verschaffen. Mit jedem Tag, mit dem sich die versprochenen Entlastungen nach hinten schieben, wird es für die Hausarztpraxen schwerer, die Versorgung sicherzustellen“, so Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.
Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz befindet sich derzeit in der parlamentarischen Abstimmung. Termine für eine 2. und 3. Lesung stehen bisher nicht fest.
Um vor dem Hintergrund der sich immer weiter zuspitzenden Lage in den Hausarztpraxen auch zukünftig noch eine qualitativ hochwertige Versorgung sicherstellen zu können, schlägt der Hausärztinnen- und Hausärzteverband unter anderem das sogenannte HÄPPI-Modell vor. Kernelement dabei ist, dass qualifizierte, nicht-ärztliche Fachkräfte unter hausärztlicher Leitung mehr Verantwortung in der Versorgung und im Praxismanagement übertragen bekommen. Entscheidend dabei ist, dass dies unter dem Dach der Hausarztpraxis geschieht, um so neue Schnittstellen in der Versorgung zu vermeiden und klare Verantwortlichkeiten sicherzustellen. So kann im Zweifel die Hausärztin oder der Hausarzt hinzugezogen werden.
Im Rahmen der Civey-Umfrage gaben 50 Prozent der Befragten an, dass sie bereit wären, einfache medizinische Anliegen wie Erkältungen oder Routinehausbesuche auch von nicht-ärztlichen Fachkräften versorgen zu lassen – sofern im Zweifel eine Hausärztin oder ein Hausarzt hinzugezogen werden kann. Nur 17 Prozent sagten, dass sie einfache Anliegen ohne Einschränkung von nicht-ärztlichen Fachkräften durchführen lassen würden. „Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Menschen offen sind für neue Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung in den Praxen. Allerdings wollen sie sicher sein, dass im Zweifel eine Ärztin oder einen Arzt verfügbar ist. Modelle, wie die vieldiskutierten Gesundheitskioske, in denen Versorgung ohne Arzt vor Ort stattfinden soll, sind nicht das, was die Menschen erwarten. Mit dem Teampraxis-Modell gibt es ein deutlich besseres und praktikableres Konzept“, so Buhlinger-Göpfarth.
Der Hausärztinnen- und Hausärztetag wird am 19. und 20. September im DoubleTree by Hilton Berlin Ku'damm stattfinden. Insgesamt circa 120 Delegierte aus ganz Deutschland kommen zusammen, um die aktuellen Themen der Gesundheitspolitik zu erörtern. Neben dem aktuellen Stand des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) wird es unter anderem um die Initiativen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens gehen – insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Einführung der sogenannten ePA für alle im Frühjahr 2025.
Sämtliche Pressemeldungen, Fotos der Veranstaltungen sowie die Beschlussübersicht finden Sie auf www.haev.de/pressehaet2024.